Ob Bauernproteste, Demos gegen die Ampelregierung und die Inflation, Kritik an teils unnötig autoritären Coronamaßnahmen oder Proteste gegen Waffenlieferungen: das mediale Bild jeder größeren Protestbewegung der letzten Jahre ist rechts dominiert.
Woran liegt das?
Obwohl all diese Proteste klassisch linke Themen sind oder zumindest sein könnten und es aktuell offensichtlich eine große Protestbereitschaft in der Bevölkerung gibt, haben wir uns als Linke bei diesen Protesten nicht gerade mit Ruhm bekleckert. Anstatt linke und antikapitalistische Standpunkte in die Massenbewegungen zu tragen, haben wir gewartet, bis die Rechten die Demonstrationen gekapert haben, um uns erst dann in Form von Gegenprotest einzumischen.
Natürlich ist solcher Gegenprotest manchmal auch angebracht, vor allem wenn solche Demos von Rechtsextremen wie beispielsweise Nadine Alt organisiert werden, aber vielleicht hätten wir nicht so kontaktscheu sein dürfen und früher eigene Bewegungen ins Leben rufen sollen.
Vielleicht sollten wir in Zukunft bei Protesten nicht direkt jeden teilnehmenden Menschen dafür verurteilen, dass da irgendwo ein Nazi mitläuft, sondern dafür sorgen, dass eben dieser Nazi aus der Protestbewegung geschmissen wird.
Denn dass nicht nur Rechte bereit sind, auf die Straße zu gehen, sehen wir an den riesigen Anti-AfD Demos der letzten Monate.
Aber nicht nur bei Massenprotesten haben wir den Faschisten zu oft das Feld überlassen.
Auch beispielsweise auf Social Media-Plattformen wie TikTok schaffen es Rechte gezielt und organisiert durch Populismus insbesondere junge und bislang unpolitische Menschen zu erreichen.
Durch Kommunikationsstrategien wie Desinformation oder Verschwörungsideologien, rechtem Lebensgefühl statt Fakten, antidemokratischen Ressentiments und emotionalisierenden Slogans erreicht die AfD auf TikTok, Instagram, YouTube und Facebook dreimal so viele Menschen wie alle anderen Parteien.
Hier in Regensburg stehen hunderte Wohnungen leer und die AfD schafft es ernsthaft, Stimmen zu fangen mit Plakaten, auf denen „Abschiebung schafft Wohnraum“ steht?
Das kann doch nicht sein!
Aber während Rechte Massenabschiebungen planen, haben wir nichts besseres zu tun, als uns drüber abzufucken dass die Anti-AfD Demos nicht links genug sind, anstatt selbst was auf die Beine zu stellen.
Und es ist auch kein Wunder dass wir niemanden erreichen: Mit unserer Mate und unserer Szenezugehörigkeit spalten wir uns bewusst immer weiter von den „Bürgis“ ab, versuchen uns moralisch abzuheben und geben damit jeden möglichen Anknüpfpunkt für gemeinsamen Protest, gemeinsame Kämpfe gegen Rechts, gegen die Inflation oder für andere soziale Themen auf. Wenn Antikapitalismus mehr Lifestyle als Perspektive ist, dann ist es kein Wunder, dass da niemand Bock drauf hat!
Warum gibt es überhaupt so etwas wie ein „linke Szene“? Als wäre links sein ein Randphänomen, eine Subkultur, oder eine Modeerscheinung und nicht der Kampf für eine Welt in der alle Menschen befreit leben können.
Und diese linke Szene hat auch noch einen so schlechten Ruf wie noch nie.
Das ist natürlich nicht nur unsere Schuld: Denn wenn beispielsweise rechte und konservative Kräfte legitimen, friedlichen Protest für die schlichte Einhaltung der versprochenen Klimaziele als „Terrorismus“ bezeichnen und linke Bemühungen im Kampf gegen Rechts als „Linksextremismus“ framen, was auch immer genau das sein soll, prägt das das gesellschaftliche Bild natürlich.
Doch anstatt dass wir alles daran setzen, dieses Bild zu ändern, uns innerhalb unserer Klasse zu solidarisieren und uns für die Menschen einzusetzen, die wir immer so schön als Arbeiter*innen oder Proletariat betiteln, spalten wir uns in kleinkriegerischer Manier untereinander auf, bis linke Kräfte nur noch belächelt werden. Wir gehen soweit in unserem heiligen Ziel unsere Inhalte nicht zu verwässern, ja keinen Millimeter von unserem Standpunkt abzuweichen und alle die nicht 100% mit der eigenen Ideologie übereinstimmen, abzuwerten, dass wir ganz vergessen wer unsere wirklichen Feinde sind. Unsere Feinde sind nicht Anarchist*innen oder Kommunist*innen, mir steht dieser Konflikt mittlerweile echt bis hier! Das heißt natürlich nicht, dass wir uns nicht von reaktionären, vermeintlich linken Strömungen abgrenzen sollten, seien es TERFs, Israel-Supporter, oder sonst irgendwer, aber vielleicht sollte man sich nicht wegen jeder kleinen Meinungsverschiedenheit darüber, wie die perfekte Utopie jetzt auszusehen hat, an die Gurgel gehen. Am Ende nützt es nur der herrschenden Klasse; den Menschen, die sich ins Fäustchen lachen, wenn sie sehen, wie wir uns gegenseitig zerfleischen. Denn unser wirklicher Feind ist eben diese herrschende Klasse, die reaktionären Kräfte, die dieses System aufrechterhalten, all die Milliardäre, die uns ausbeuten und versuchen, uns zu beherrschen. Unsere Feinde sind die Nazis, die gerade in Parlamenten immer mehr Zuspruch bekommen, sich immer sicherer auf den Straßen fühlen und mal ganz nebenbei offen zugeben, Millionen Menschen abschieben zu wollen. Das sind unsere Feinde, gegen die wir geschlossen, zusammen mit all den Arbeiter*innen, allen, die sich uns anschließen wollen, vorgehen sollten.
Das klingt jetzt alles sehr negativ und wir wollen am 1. Mai eigentlich gar keine so entmutigende Rede halten. Schließlich ist es immer noch der Kampftag der Arbeiter*innen. Und es ist noch lange nicht alles verloren. Schaut euch mal um. Wir sind so stark und so viele.
Wir wollen mit allen Gruppen, die hier heute versammelt sind, Seite an Seite für eine bessere Welt kämpfen. Wenn jeder Mensch, der hier heute mit der Überzeugung auf die Straße geht, die Welt ein Stückchen solidarischer zu gestalten, nicht nur heute laut ist, sondern sich jeden Tag entschlossen gegen dieses System stellt, sind wir so viel stärker als wir denken.
Und dann werden wir wirklich irgendwann gemeinsam darüber streiten können, welche Stadt wir uns wünschen, welches Leben wir für uns alle wollen, wer wir sein wollen.
Also lautet unser Aufruf: organisiert euch! Kämpft laut für eine bessere Zukunft und schließt euch zusammen, denn gemeinsam sind wir viel stärker!
Und wenn wir alle jeden Tag laut auf die Straße gehen, werden wir nicht nur den Rechten in diesem Land die Stirn bieten können, sondern gemeinsam dieses System stürzen.